Mit 4 konkreten Subsistenz-Maßnahmen den CO2-Fußabdruck der/s durchschnittlichen Deutschen um weitere 4 to senken!
Erfahren Sie hier im Interview mit Hermann Hofstetter Interessantes rund um die alles entscheidende Klima-Frage, den CO2-Fußabdruck, sowie am Beispiel fünf konkreter Schritte, wie jede/r im Sinne des Pariser Klimaschutz-Abkommens KLIMANEUTRAL werden kann …
Foto: Hofstetter
Hermann Hofstetter ist Referent für Schöpfungsverantwortung der Erzdiözese München und Freising und Umweltmanagementbeauftragter des Ordinariats. Er ist im Vorstand vom TAGWERK Förderverein „Unsere Bio Nachbarn“ und Mitglied im Spezialist*innen-Team von Klimafreundlich Leben.
Franz:
Hallo lieber Hermann!
Zuerst möchte ich für mögliche „Erst-Leser“ kurz Revue passieren lassen, was bisher zu unserem Motto „In 5 konkreten Schritten persönlich KLIMANEUTRAL werden“ passiert ist:
* der 1. Schritt war eine „wachrüttelnde Klima-Ist-Analyse“ von dir – wir haben dabei festgestellt, wie wichtig es auf dem Weg zur persönlichen Klimaneutralität ist, diese Ist-Situation zu akzeptieren UND ins Handeln zu kommen
* mit dem 2. Schritt „Effizienz“ als Option des eigenen Handelns haben wir im Interview aufgezeigt, wie die/der durchschnittliche Deutsche mit 4 konkreten Maßnahmen relativ leicht den persönlichen C02-Fußabdruck von 11,6 to auf ca. 9,5 to reduzieren könnte.
Heute geht es nun im 3. Schritt mit der Strategie „Subsistenz“ weiter …
Hermann, was ist unter „Subsistenz“ zu verstehen und welche Bedeutung hat diese Strategie im Hinblick auf den persönlichen C02-Fußabdruck?
Hermann:
Der Begriff Subsistenz ist nicht allen so geläufig, nicht eindeutig definiert und weist in unterschiedlichen Kontexten sogar abweichende Bedeutungsinhalte auf. Zum besseren Verständnis würde ich hier den Begriff „Austauschen“ verwenden. Es werden also in den eigenen Handlungsfeldern Produkte und Verhaltensweisen nicht ganz weggelassen, wie bei der Suffizienz, sondern gegen Produkte und Verhaltensweisen ausgetauscht, die den persönlichen CO2-Fußabdruck reduzieren. Es ist also mehr als die Strategie der „Effizienz“, bei der es in der Regel um Einsparen geht, also vereinfacht betrachtet, erfolgt bei der Subsistenzstrategie ein vollständiges Auswechseln – im besten Fall zu null CO2-Emissionen. Der Nachteil liegt oft darin, dass durch jeden stattfindenden Ersatz mit Neuprodukten, der persönliche CO2-Berg zunächst wieder vergrößert wird. Darüber wird zu wenig nachgedacht.
Franz:
Welche 4 konkreten Schritte in den Bereichen Ernährung, Konsum, Mobilität und Gebäude/Energie schlägst du vor, dass wir uns beispielhaft im Bereich Subsistenz anschauen?
Hermann:
Nehmen wir uns doch gleich mal den Bereich Mobilität vor. Wir erleben ja gerade, dass eine Umstellung der Pkw-Antriebe stattfindet. Der Wechsel vom Verbrenner zum Elektroantrieb ist tatsächlich dringend durchzuführen, da die Technik vorhanden ist. Natürlich muss dazu erst ein neuer Pkw produziert werden, was wieder sehr hohe CO2-Emissionen verursacht. Damit lässt sich eine enkeltaugliche Pkw-Gleichung vom Grundsatz her schon weitgehend ableiten, nämlich: Der existierende Fahrzeug Ist-Bestand muss ab sofort stark zurückgehen und nicht-fossil betrieben werden. Um die Klimaziele zu erreichen, gibt es eine klare Aufgabenstellung, die die nachfolgende Grafik sehr gut veranschaulicht (Daten Umweltbundesamt, grafische Darstellung Martin Cormann):
Darüber hinaus müssen die existierenden bzw. noch hinzukommenden Kraftfahrzeuge zukünftig vollkommen in Deutschland recycelt werden, so dass wir über die Stoffbilanz keine CO2-Emissionen weiter anhäufen.
Bei der Ernährung gibt es, nicht nur was die Treibhausgasemissionen betrifft, tatsächlich viele Möglichkeiten von „schlecht“ auf „gut“ zu wechseln, ohne dadurch wieder in anderen Bereichen einen großen Fußabdruck auszulösen. Nehmen wir nur mal als Beispiel den konsequenten Umstieg bei Gemüse, Salat und Obst. Wenn man in den Saisonkalender von WWF oder Greenpeace schaut, erkennt man sehr gut, in welchem Paradies wir eigentlich leben. Über viele Monate im Jahr gibt es aus unseren Landen sozusagen „frisch vom Feld“ dutzende von Gemüse- und Salatarten. Selbst ökologisch produzierte heimische Ware kann unter Beachtung der saisonalen Verfügbarkeit preislich günstig bezogen werden. Es ist klar, dass wir in den Bereich Lebensmittelauswahl und -verarbeitung viel mehr Zeit investieren müssen, als wir es bisher gewohnt sind. Zeitlich gesehen haben wir unsere Ernährung eigentlich als zeitraubende Nebenbeschäftigung eingetaktet. Nochmal: Aus meiner Erfahrung kann sich so gut wie jede/r saisonales, regionales und ökologisches Gemüse, Salat und Obst leisten. Das Gegenteil ist nicht zukunftsfähig und können wir uns daher schon lange nicht mehr leisten.
Das Handlungsfeld Konsum ist aus meiner Sicht echt ein Problem. Vieles was wir hier veranstalten ist völlig sinnlos und muss eigentlich ganz weggelassen werden. Einiges können wir selbstverständlich auf „enkeltauglich“ umstellen. Ich würde sagen, dafür ist Kleidung ein sehr gutes Beispiel. Klar, wir alle brauchen Kleidung, aber genau deswegen macht es einen riesigen Unterschied, wie und welche Kleidung wir beschaffen. Die Lieferketten für Kleidungsprodukte gehen über den ganzen Erdball, da in Mitteleuropa nahezu keine Produktion mehr erfolgt. Wo müssen wir nun hinkommen!? Zunächst müssen wir rasch raus aus der Baumwolle und aus synthetischen Materialien – mir ist schon klar, dass sich jetzt einige fragen, wie das gehen soll. Meine Entwicklungsvorstellung ist aber nicht unzumutbar, schon gar nicht angesichts der Schäden und Langzeitfolgen, die wir mit Kleidung verursachen. Heimische Bioprodukte aus Leder, Schafwolle, Hanf, Jute und Leinen von nachhaltigen Unternehmen müssen wieder den Großteil unserer Kleider ausmachen. Es gibt auch andere Naturmaterialien und Textilien, die mehr Bedeutung bekommen könnten. Wenn man jetzt hinzugenommen noch mehr „repariert“, tauscht und wiederverwendet ist die Verbesserung des Fußabdrucks enorm.
Wirklich wichtig, um der kommenden Klimakatastrophe schnell wirksam entgegen zu treten ist für die große Mehrheit der Gebäudeeigentümer der Austausch ihrer Wärmeerzeugungssysteme. In Deutschland werden immer noch ca. 90% aller Heizzentralen mit Öl, Gas oder Kohle versorgt, da brauchen wir zu Priorität eins bei Gebäuden/Energie nicht lange weiterdiskutieren. Die ewige Lamentiererei zur energetischen Sanierung von Gebäuden hat jahrzehntelang die eigentlichen Kernprobleme verdeckt und zu gewaltigen Fehlentwicklungen – wie z.B. der finanziellen Förderung des massiven Einsatzes von Erdöl-basierten Dämmmaterialien (=Sondermüll) – geführt. Selbstverständlich soll so wenig Raumwärme wie möglich aus den Gebäuden entweichen. Um aber in den deutschen Liegenschaften zukunftsfähig zu werden, muss außer der klimafreundlichen Energieversorgung und ausnahmslos nachhaltiger Baumaterialien der m2-Anteil an Grundfläche und Gebäudefläche, der für den eigenen Bedarf beansprucht wird, stark verringert werden. Diese Debatte müssen wir in unserer Gesellschaft nun eröffnen, so unangenehm das auch werden wird.
Franz:
… und um wieviel würde sich durch deine beispielhaften 4 Subsistenz-Maßnahmen der durchschn. CO2-Fußabdruck des/der Deutschen reduzieren?
Hermann:
Das kann ich natürlich nur in Durchschnittswerten je Bundesbürger und Jahr angeben. Die Werte habe ich stark gerundet und es hängt halt alles auch von den persönlichen Lebensbedingungen ab.
Für den Heizungstausch von fossilen zu regenerativen Energieträgern rechne ich mit einer Einsparung von 1,5 to CO2. Eine gleich hohe CO2-Emissionsreduktion sehe ich beim Ersatz des Verbrenner-Pkws durch ein E-Auto, das darf aber kein Hybrid sein. Der konsequente Bezug von saisonalem Bio-Regio Gemüse, Salat und Obst schlägt mit 0,5 to CO2 zu Buche. Auch bei der enkeltauglichen Kleidung würde ich 0,5 to CO2 ansetzen, da gibt es einschlägige Berechnungen, die niedriger liegen, aber mit Verlaub: die rechnen nicht alle Faktoren, so wie ich.
Franz:
Das heißt, mit diesen vier Subsistenz-Maßnahmen – die im Grunde jede/r relativ leicht machen kann – haben wir den CO2-Fußabdruck von durchschnittlich 9,5 to/Jahr nach dem 1. Schritt „Effizienz“ im 2. Schritt um weitere 4 to auf rund 6 to / Jahr reduziert, und liegen damit schon um ca. 45 % unter dem Fußabdruck der/s durchschnittlichen Deutschen. Super!
Hermann:
Ja, genau – da muss ich aber noch kleine Ergänzungen dazu loswerden. Ich habe mit dem Heizungstausch schon eine ordentliche Investitionsmaßnahme ausgewählt; bei dem tatsächlich vorhandenen Vermögen in Deutschland ist das aber für mich Jammern auf hohem Niveau. Bei den anderen Vorschlägen muss man definitiv in Zukunft mehr Zeit investieren, umsonst gibt es nichts. Falls jemand jetzt die Zahlen, die du gerade aufaddiert hast, nachrechnet muss ich noch eins sagen: Teile der Einsparungen aus Effizienz und Subsistenz würden bei genauerer Betrachtung doppelt gerechnet, deshalb habe ich die Ergebnisse (6 to und 45%) leicht nach oben korrigiert.
Franz:
Beim nächsten Mal geht es nach Effizienz und Subsistenz um das Thema „Suffizienz“ – was für dich gewissermaßen der „Königsweg“ oder man könnte auch sagen, der entscheidende Ansatz ist. Willst du uns heute schon verraten, warum du das so siehst?
Hermann:
Ja, gerne. Ich habe vorhin ja schon kurz anklingen lassen, was ich beispielsweise zum unverantwortlich hohen „Raumbedarf“ in unserem Land denke. Dieses vollkommen überzogene Anspruchsverhalten liegt allerdings in allen Lebensbereichen vor und ist leider anerzogen und angelernt. Maßhalten wurde immer als Einschränkung und nicht als Tugend angesehen, wogegen Wachstum und Ausschöpfen diversester Angebote immer noch als Ziel und Inhalt eines erfüllten Lebens beworben werden. Daher wird möglicherweise für viele die Suffizienzstrategie das interessanteste Thema werden, denn hier kommen wir bei den Handlungsfeldern an die persönlichen „Schmerzgrenzen“. Das „Nichtbeanspruchen“ und der echte „Verzicht“ ist das Mittel der Wahl, weil es halt sofort und nachhaltig zu einer Streichung des entsprechenden Fußabdruckanteils führt. Insgesamt betrachtet haben wir für die meisten Effizienz- und Subsistenzthemen nicht mehr die Zeit – das deutsche CO2-Budget ist in rund 7 Jahren aufgebraucht. Mir ist bewusst, dass diese unangenehme Wahrheit nicht zu Begeisterungsstürmen führt, es gab aber noch nie eine Zeit, in der wir so viel ins Positive verändern, bewegen, erfinden und gestalten können. Für mich als Transformer schlägt jeden Tag das Entwicklerherz in höchsten Tönen. Die Zukunft wird wunderbar und die nachfolgenden Generationen werden mit großer Hochachtung auf uns, unseren Mut und unsere Leistungen zurückblicken.
Franz:
Danke Hermann für das Interview und für dein Mut machendes persönliches Zukunftsbild am Schluß – wir freuen uns schon wieder auf das nächste Mal, wenn es um die spannende Frage des „Was-brauche-ich-wirklich-für-ein-gutes-Leben-Frage“ geht!