Mit 4 konkreten Suffizienz-Maßnahmen den CO2-Fußabdruck der/s durchschnittlichen Deutschen um weitere „2,5 to“ senken!
Erfahren Sie hier im Interview mit Hermann Hofstetter Interessantes rund um die alles entscheidende Klima-Frage, den CO2-Fußabdruck, sowie am Beispiel fünf konkreter Schritte, wie jede/r im Sinne des Pariser Klimaschutz-Abkommens KLIMANEUTRAL werden kann …
Hermann Hofstetter mit selbstgebautem Insektenhotel Foto: Dr. Gabriele Riffert
Hermann Hofstetter ist Referent für Schöpfungsverantwortung der Erzdiözese München und Freising und Umweltmanagementbeauftragter des Ordinariats. Er ist im Vorstand vom TAGWERK Förderverein „Unsere Bio Nachbarn“ und Mitglied im Spezialist*innen-Team von Klimafreundlich Leben.
Für „Erst-Leser“ – was ist bisher bei den ersten 3 Schritten passiert?
* der 1. Schritt war eine „wachrüttelnde Klima-Ist-Analyse“ von Hermann Hofstetter – wir haben dabei festgestellt, wie wichtig es auf dem Weg zur persönlichen Klimaneutralität ist, diese Ist-Situation zu akzeptieren UND ins Handeln zu kommen
* mit dem 2. Schritt „Effizienz“ als Option des eigenen Handelns haben wir im Interview aufgezeigt, wie die/der durchschnittliche Deutsche mit 4 konkreten Maßnahmen relativ leicht den persönlichen C02-Fußabdruck von 11,6 to auf ca. 9,5 to reduzieren könnte.
* im 3. Schritt „Subsistenz“ – der Strategie des „Tauschens von Produkten und Verhaltensweisen“ – senkten wir durch weitere 4 konkrete Maßnahmen den persönlichen C02-Fußabdruck um weitere 4 to auf ca. 6 to.
Heute geht es nun im 4. Schritt mit der Strategie „Suffizienz“ weiter …
Franz:
Hermann, wie lässt sich „Suffizienz“ erklären und hat diese Strategie im Hinblick auf den persönlichen C02-Fußabdruck für dich eine Sonderstellung?
Hermann:
Erich Fromm, der große Sozialpsychologe hätte nun wahrscheinlich geantwortet: „Es geht um Sein statt Haben!“. Bei der Suffizienz steht Weglassen bzw. Teilen statt Besitzen oder eine andere Definition von „Wohlstand“ im Fokus. Das „Weniger ist Mehr“ oder „Genug ist genug“ ist für mich schon so eine Art „Königsweg“.
Im Abendland hätte man ja einfach auf Jesus von Nazareth hören können, für mich der erste große Konsumkritiker – der im Prinzip auch nichts anderes verkündet hat. Tatsächlich hat die Menschheit zumindest auf der Nordhalbkugel einen anderen – im wahrsten Sinne – „höllischen“ Weg gewählt. Der Suffizienzansatz ist meines Erachtens aber auch eine Riesenchance sich frei zu machen von unsinnigen Konsumzwängen, überflüssigen Ballast, „Hamsterrad-Zielen“ und sozialer Verarmung und ermöglicht uns dadurch den Blick auf das wirklich wichtige im Leben und in eine gute lebenswerte Gemeinwohl-Zukunft.
Franz:
„Suffizienz“ hat kein gutes Image!
Die meisten Menschen verbinden es mit Negativem – mit Verzicht, Einschränkung, Reduktion, Verlust oder mit Rückschritt und Mangel.
Für Niko Paech, den Begründer der Postwachstumsökonomie, zu Unrecht – er meint in seinem Bestseller „Befreiung vom Überfluss“:
„Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wenig braucht!“ oder
„Wer über seinem persönlichen C02-Anspruch lebt, will entweder keinen Klimaschutz oder keine globale Gerechtigkeit“.
Wie siehst du das?
Hermann:
Ich gehe sogar noch weiter: Das was wir auf der Nordhalbkugel „vorleben“ ist bewusster Diebstahl von Allmende. Durch unsere Konsum- und Lebensgewohnheiten verursachen wir einen exorbitanten Ressourcenverbrauch. Wenn alle Menschen so leben würden wie wir, bräuchten wir bereits ca. 3 Erd-Planeten. Diese Ressourcen nehmen wir den Schwächeren, den Benachteiligten, den Genügsamen und den zukünftigen Generationen weg.
Das Schlimme ist, wir schaffen damit keinen echten Mehrwert, sondern häufen nur „Erlebnisse, egoistische Zielerreichung, Besitz, Vergängliches und Geld-Wohlstand an. Die Menschen hetzen durchs Leben dauernd den falschen Zielen hinterher und sind doch immer weniger glücklich. Richtiges Glück erfährt man durch mehr genießen und weniger konsumieren. Und wenn wir uns wieder auf das richtige „menschliche“ Maß einschwingen, gewinnen wir Zeit („Zeitwohlstand“) und haben mehr Freiraum für gelingende Beziehungen („Beziehungswohlstand“), das ist es doch wonach sich die Menschen in ihrem Innersten wirklich sehnen. Wir haben uns ablenken lassen vom guten Weg durch „billig“, „schnell“ und „viel“, gewürzt mit „mir am meisten“. Sehr schade, dass unsere Kinder das nicht in Kindergarten / Schule gelehrt bekommen – auch in der Pädagogik steht nach wie vor im Vordergrund: „Reifmachen“ für eine erfolgreiche Karriere in unserer vergifteten Wachstumsökonomie und Ellenbogen-Erfolgsgesellschaft.
Franz:
Welche 4 konkreten Schritte von „Suffizienz“ in den Bereichen Ernährung, Konsum, Mobilität und Gebäude/Energie möchtest du uns in diesem Sinne aufzeigen?
Hermann:
Nehmen wir uns doch gleich mal den Bereich Mobilität vor. Ja, die Auflösung ist einfach und wird für viele keine Überraschung sein. Ich sehe hier grundsätzlich drei lohnenswerte Ansatzpunkte:
* kein Zweit-Auto. Mittelfristig nur noch ein (vielleicht kleineres) Elektroauto – keinesfalls einen Hybrid. Jedes Fahrzeug, das erworben wird, muss derzeit noch mit einem großen Ressourcenaufwand und hohen CO2-Emissionen produziert werden – das ist immer ein Treibhausgas-Kredit für die Zukunft, den man netto auch nicht ausgleichen kann. Langfristig kein eigenes Auto mehr.
* Im besten Fall Carsharing eines Elektroautos.
* Nicht mehr fliegen, also auch nicht fliegen und dann kompensieren.
Bei der Ernährung heißt ja „Weglassen“ nicht, dass man fortan hungern muss. Jedenfalls beim Verbrauch von tierischen Produkten und das sind natürlich insbesondere Fleisch und Milchprodukte, kann man auf ein vernünftiges Maß kommen, wenn man sich bspw. nach der Planetary Health Diet richtet. Also wer weiter Wurst, Fleisch und Milchprodukte zu sich nehmen mag, kann das durchaus klimaverträglich einstellen, lebt gesünder und reduziert unter Umständen auch noch die Kalorienzufuhr.
Wo ich aber einen echten Verzicht predigen würde, wären die vollkommen überflüssigen, ja sogar krankmachenden Zwischenmahlzeiten, Snacks, Süßprodukte und EnergyDrinks. Eine reine Erfindung der Lebensmittelindustrie um bspw. den Kindern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Unnötige Zwischenmahlzeiten werden leider nach wie vor auch in ganz modernen Ernährungsratgebern angepriesen. Gegen eine hausgemachte, gesunde Nachspeise ohne Chemie und Zusatzstoffe habe ich selbstverständlich gar nichts einzuwenden. Wenn das selten ist, dann ist es ein echter Genuss und keine Belastung.
Das Handlungsfeld Konsum ist sehr weit und unsere Ansprüche beim Freizeitverhalten und den Urlaubswünschen sind definitiv enorm überzogen. Mehrere Urlaube im Jahr können nicht klimafreundlich sein, da brauchen wir gar nicht rumdiskutieren. Ressourcenextensive und klimataugliche Erholung ja, gerne auch öfters und bitte alles andere radikal einschränken.
Ja Franz, da hast du richtig gehört: Ich habe wirklich „einschränken“ gesagt!
In einem Hotel der üblichen Pauschalreiseveranstalter holt man sich je Tag mindestens 1to CO2 auf die persönliche Ressourcenbilanz – on top. Das weist der UBA-Rechner nicht aus – das ist eminent wichtig, zu wissen.
Also mein Ratschlag: Bei einem nachhaltigen Reiseveranstalter buchen, in eine Unterkunft gehen, die selbst nachhaltig wirtschaftet und gerne ohne große künstliche Bespaßung selbst Wander- und Radtouren unternehmen. Es gibt so viel Schönes und Erfüllendes in unseren Landen und bei den leicht erreichbaren Nachbarn zu erkunden – ein Leben reicht nicht dafür! Man darf aber gerne auch mal einen neuen Trend initiieren, z.B. eine Woche Fassade begrünen bei den kommunalen Gebäuden bei freier Kost und Logis – die Gemeinderäte und Bürgermeister lieben solche gemeinwohl-orientierten Vorschläge ungemein.
Bei Gebäude & Energie geht es mir vor allem darum, dass endlich die größten „Tod-Sünden“ abgestellt werden. Das ist der hohe Flächenverbrauch durch Neubauten, das ist der ständig zunehmende Anspruch zu größeren Wohnflächen und das ist der ungeheuer große Ressourcenverbrauch und CO2-Fussabdruck durch die landauf-landab üblicherweise verwendeten Baustoffe. Durch die Verwendung herkömmlicher nicht zukunftsfähiger Baumaterialien entstehen CO2-Emissionen von bis zu 900 kg für jeden m² gebaute Fläche. Dies gilt für alle Hoch- und Tiefbaumaßnahmen im Bestand genauso wie für den Neubaubereich. Und das gilt für alle Sanierungen, Renovierungen, Restaurierungen, Erweiterungen und Aufhübschungen – also für alle Bundesbürger!
Alle schädlichen, ungesunden, unökologischen und nicht kreislauffähigen Baumaterialien können grundsätzlich leicht ersetzt werden, dies wird bspw. bereits im Erzbistum München und Freising praktiziert (siehe hierzu den Leitfaden_nachhaltige_Materialien_Baustoffwahl). In keinem anderen Bereich können im Lebenszyklus bei Gebäuden durch eine Einzelmaßnahme, nämlich die konsequente Verwendung der hier empfohlenen Materialien, sofort und nachhaltig so hohe Einsparungen bei den CO2-Emissionen erzielt werden. Darüber hinaus gibt es dadurch eine ganze Reihe von wichtigen weiteren Benefits, die da auszugsweise wären:
* Stärkung und Ausweitung der regionalen Kreislaufproduktion von Baumaterialien.
* Reduktion des Eintrags von Schadstoffen in die lokale Umwelt.
* Vermeidung von Sondermüll durch Baumaßnahmen.
* Schutz von Kindern, Kranken und anfälligen Gebäudenutzer*innen, die den Innenraumschadstoffen ausgesetzt sind (in herkömmlichen Baumaterialien sind mehrere tausend chemische Substanzen zugelassen, deren Grenzwerte wegen steigender Erkenntnisse immer wieder vom Gesetzgeber verschärft werden müssen, deren Zusammenwirken aber völlig unbekannt ist).
* Reduzierung von Abhängigkeiten ausländischer Baumateriallieferungen und eine stärkere Autarkie gegenüber dem globalen Marktgeschehen.
* Die in der Region (zukünftig) verfügbaren nachwachsenden Rohstoffe vollständig in der Region zu hochwertigen Baumaterialien weiterzuverarbeiten, eine kleinteilige KMU-Struktur aufzubauen und die maximale Wertschöpfung lokal / regional zu erzielen.
* Wertsteigerung und höherer Werterhalt von Gebäuden, da bereits jetzt am Markt Gebäude mit ökologischen und gesunden Baumaterialien einen Preisaufschlag erhalten. Auf der anderen Seite gibt es bereits jetzt am Markt eine Tendenz Gebäude mit „Problemstoffen“, wie erdölbasierte Dämmungen, Kunststoffteppichböden, emissionsintensiven Beschichtungen, Verbundmaterialien, PVC-Fenstern etc. mit Preisabschlägen zu bewerten.
* Von der Schaffung nachhaltiger Arbeitsplätze in Zukunfts-Technologiebereichen und den steigenden Gewerbesteuereinnahmen in der Region möchte ich erst gar nicht anfangen.
Franz:
Deutlich zu merken, dass diese Maßnahmen sehr viel mit einem „neuen“ Lebensstil zu tun haben. Und was bringen diese beispielhaften 4 Suffizienz-Maßnahmen nun für das durchschnittliche C02-Budget des/der Deutschen?
Hermann:
Franz, wie immer alles natürlich gerundet und abhängig von den persönlichen Rahmenbedingungen, aber im Schnitt kann man durchaus belastbare Werte nennen: * Gebäude/Energie: Klimataugliche, nachhaltige Baumaterialien = 1 to CO2 / Jahr
* Mobilität: Zweit-Auto weggeben. Elektrisch carsharen, nicht mehr fliegen = jährlich 1 to CO2 / Jahr
* Ernährung: Tierische Produkte reduzieren, Snacks weglassen = 0,5 to CO2 / Jahr
* Konsum: Zweit-Urlaub streichen. NH Urlaub = 0,5 to CO2 / Jahr
Damit kommt man von 6 to auf 3,5 to/a.
Wohlgemerkt: die oben beschriebenen vier Maßnahmen isoliert betrachtet würden zusammengerechnet eine höhere Einsparung ergeben. Da wir allerdings hier teilweise Überschneidungen mit den Maßnahmenbespielen der zurückliegenden Interviews haben, habe ich das Gesamtergebnis fairerweise nach unten korrigiert.
Franz:
Mit Effizienz, Subsistenz und heute nun Suffizienz haben wir den CO2-Fußabdruck von durchschnittlich 11,6 to/Jahr um ca. 70 % auf 3,5 to/Jahr gesenkt.
Super, aber wir sind jetzt noch nicht auf „0“ to runter gekommen … was heißt das jetzt für dich und unser Ziel „In 5 konkreten Schritten persönlich KLIMANEUTRAL werden?
Hermann:
Persönlich können wir es bzgl. der Treibhausgasemissionen nicht schaffen auf „0“ zu kommen, da ja vor allem die Emissionen aus dem öffentlichen Bereich bleiben, auch wenn wir gar nichts mehr konsumieren würden.
Für mich fehlen daher noch zwei wesentliche Bausteine:
1. Ich hatte ja schon beim Klimaeinspar-Quiz darauf hingewiesen, dass die Selbstwirksamkeit nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Wenn wir uns entsprechend politisch und gesellschaftlich für die Transformation engagieren, werden die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen sich schnell in Richtung Klimafreundlichkeit ändern. Das betrifft alle Handlungsfelder und Sektoren. Da wir zur grundlegenden Neuausrichtung nicht mehr viel Zeit haben, sollten wir ab sofort einen großen Teil unserer Freizeit dafür einbringen. Langfristig macht das für unseren CO2-Fußabdruck nochmal 2-3 to Reduktion pro Jahr aus.
2. Nächstes Mal werden wir ja noch über „sinnvolle Kompensations-Maßnahmen“ für den verbleibenden kleinen Rest der persönlichen Treibhausgas-Emissionen sprechen, daher spare ich das jetzt aus. Weit wichtiger ist für mich jedoch das Erreichen einer „Negativ-Bilanz“. Das heißt durch eigenes Handeln mittelfristig nicht nur auf „0“ zu kommen, sondern in der Netto-Bilanz sogar zu einer „CO2-Senke“ zu werden. Wie kann das gehen und was meine ich damit genau? Präzise geht es dabei um Kohlenstoff-Bindung in Biomasse. Konkret bedeutet es, dass bereits in der Luft befindliches CO2 bspw. durch Pflanzenwachstum aufgespalten wird in ca. einen Teil Kohlenstoff, der dann in der Pflanze eingelagert ist und in drei Teile Sauerstoff, die dann in der Luft verbleiben. Das hört sich jetzt vielleicht so nichtssagend an, ist aber hocheffektiv. So bindet rechnerisch 1m³ Holz 1 to CO2. Größere Bäume haben durchaus einen größeren jährlichen Holzzuwachs. Daher plädiere ich dafür, dass wir ab sofort lokal und regional in großem Stil klimaresiliente Baumarten anpflanzen. Das kann jede / r entweder auf seinem Grundstück tun oder dafür Geld an die Kommune spenden. In jeder Kommune haben 100 neue Bäume leicht Platz, in Städten tausende. Ich finde allein den Gedanken, dass draußen vor der Haustüre meine persönlichen „Klimakompensatoren“ stehen, unglaublich bereichernd und einen echt bleibenden Wertzuwachs für meine Nachkommen. Und Franz, wenn wir den Umbau in eine enkeltaugliche Welt eines Tages geschafft haben, setzen wir uns zu einem pfundigen Hoagascht auf das Bankerl unter die damals gepflanzte Flaumeiche und erzählen unseren Enkeln davon, wieviel CO2 der Baum schon beseitigt hat.
Franz:
Danke Hermann für das Interview, für deine Suffizienz-Beispiele zur spannenden „Was-brauche-ich-wirklich-für-ein-gutes-Leben-Frage“ und für deine Aussicht zum Schluss, dass wir es schaffen können!
Hermann:
Wir werden es schaffen, das ist für mich gar keine Frage – schon, weil uns gar nichts anderes übrig bleibt. Der Mensch ist ein soziales Wesen und verbunden in Lebensnetzen mit allen anderen Lebewesen. In unserem Innersten ist ein Kernelement „das heißt Fürsorge“, man könnte auch sagen „Liebe“. In erster Linie tragen wir Sorge nicht für ein „scheinbar“ gutes Leben für uns – davon müssen wir uns befreien. Sondern wir tragen Sorge für die Schöpfung, für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und für ein gutes Leben für die Mitgeschöpfe und für die, die nach uns kommen. Wir können also wahrlich eine göttliche Rolle einnehmen und von den Zerstörern zu den Bewahrern werden – das ist für mich die gute und lebenserfüllende Botschaft.