Mit sinnvollen Kompensations-Maßnahmen KLIMANEUTRAL werden! 

Erfahren Sie hier im Interview mit Hermann Hofstetter Interessantes rund um die alles entscheidende Klima-Frage, den CO2-Fußabdruck, sowie am Beispiel fünf konkreter Schritte, wie jede/r im Sinne des Pariser Klimaschutz-Abkommens KLIMANEUTRAL werden kann …
Hermann Hofstetter mit selbstgebautem Insektenhotel Foto: Dr. Gabriele Riffert

Hermann Hofstetter ist Referent für Schöpfungsverantwortung der Erzdiözese München und Freising und Umweltmanagementbeauftragter des Ordinariats. Er ist im Vorstand vom TAGWERK Förderverein „Unsere Bio Nachbarn“ und Mitglied im Spezialist*innen-Team von Klimafreundlich Leben.

Für „Erst-Leser“ – was ist bisher bei den ersten 4 Schritten passiert?
* der 1. Schritt war eine „wachrüttelnde Klima-Ist-Analyse“ von Hermann Hofstetter – wir haben dabei festgestellt, wie wichtig es auf dem Weg zur persönlichen Klimaneutralität ist, diese Ist-Situation zu akzeptieren UND ins Handeln zu kommen
* mit dem 2. SchrittEffizienz“ zeigten wir auf, wie die/der durchschnittliche Deutsche mit 4 konkreten Maßnahmen relativ leicht den persönlichen C02-Fußabdruck von 11,6 to auf ca. 9,5 to reduzieren könnte.
* im 3. SchrittSubsistenz“ – der Strategie des „Tauschens von Produkten und Verhaltensweisen“ – senkten wir durch weitere 4 konkrete Maßnahmen den persönlichen C02-Fußabdruck nochmals um 4 to auf ca. 6 to
* im 4. Schritt – dem „Königsweg der Suffizienz“ – befreiten wir uns von Konsumzwängen und unnötigem Ballast und propagierten das „gute Leben für Alle“. Mit 4 Beispiel-Maßnahmen reduzierten wir den persönlichen C02-Fußabdruck erheblich auf einen Rest von ca. 3,5 to.

Heute geht es nun im 5. und letzten Schritt mit der Strategie „Kompensation“ darum, wie im Grunde jede/r „Klimaneutral“ – oder sogar „Klimapositiv“ werden kann …

Franz:
Lieber Hermann, bevor wir darüber reden wollen, wie wir persönlich „Klimaneutral“ oder sogar „Klimapositiv“ werden können wo stehen wir denn allgemein in Bezug auf die wirklich notwendigen Klimaziele?

Hermann:
Da muss ich eingangs gleich auf eine gewaltige Fehleinschätzung hinweisen!
Die große Mehrheit der Politiker und Wirtschaftsfunktionäre redet gerne von einer Emissionsneutralität, die unter Bezugnahme auf die Pariser Beschlüsse von 2015 angeblich erst in mehreren Jahrzehnten erreicht werden muss. Das ist wissenschaftlich völlig falsch, unverantwortlich und tlw. bewusst irreführend.
Das Ergebnis daraus ist, dass sich viele Menschen bei uns „zurücklehnen“, da wir ja noch so viel Zeit zu haben scheinen. Die kolportierten Ziele „2050“, „2045“ aber auch „2040“ gehen vollkommen an den tatsächlich für Deutschland notwendigen Klimaschutzzielen vorbei.

Tatsächlich ist nicht eine Jahreszahl entscheidend um die Erwärmung auf höchstens 1,5° zu begrenzen, sondern das weltweit noch maximal zur Verfügung stehende Treibhausgas (THG)-Budget und damit verbunden, die noch möglichen Emissionen in die Atmosphäre.
Dieser Zusammenhang, den die Wissenschaftsgemeinschaft in den letzten Jahren in vielen Publikationen ausreichend erläutert hat, führt konsequent auf Deutschland heruntergebrochen dazu, dass wir unser CO2-Budget de facto bereits so gut wie aufgebraucht haben.

Sicher, andere Länder haben definitiv noch Jahrzehnte Zeit ihre „Treibhausgasneutralität“ zu erreichen, da sie halt umgerechnet bisher vielleicht nur halb so viel CO2 freigesetzt haben, wie wir in Deutschland.
Allein aus Gerechtigkeitsgründen scheitert’s also hier für mich schon mal an der richtigen Zielsetzung. Wir müssen endlich damit aufhören, uns etwas vorzumachen, dann hören auch die Politiker damit auf, den Tatsachen auszuweichen.
Wir haben nämlich kein Recht anteilig je Einwohner des Landes mehr Treibhausgasemissionen zu beanspruchen, wie andere Nationen – ganz im Gegenteil, da die Industriestaaten mit großem Abstand zu den führenden „Klimasündern“ gehören; damit verbleibt uns – je nach Ambition beim Reduktionspfad (linear oder progressiv) in den nächsten Jahren – ein Treibhausgas-Restbudget für einen Zeitraum von nicht mal bis 2030. Das ist die ungeschminkte Wahrheit.

Franz:
Lieber Hermann – in 4 Schritten haben wir den C02-Fußabdruck des/r durchschnittlichen Deutschen von 11,6 to um ca. 70 % auf 3,5 to reduziert.
Persönlich auf „0“ zu kommen, das ist derzeit nicht möglich – warum nicht und was heißt das im Hinblick auf das große Ziel rechtzeitig in Deutschland und weltweit auf „0“ zu kommen?

Hermann:
Es stimmt, auch wenn wir alle Lebensbereiche auf klimafreundlich umstellen, kommen wir bei unserer persönlichen CO2-Bilanz nicht auf „0“, da die für jeden Bürger anteiligen Treibhausgasemissionen aus dem öffentlichen Bereich immer noch verbleiben. Allerdings kann unsere Selbstwirksamkeit nicht hoch genug eingeschätzt werden. Nicht nur, weil wir individuell – wie gezeigt – den eigenen Emissionswert rasch um mehrere to CO2 senken können, sondern weil jede/r von uns die Mitmenschen positiv beeinflussen und „mitreißen“ kann.
Und das ist die gute Nachricht: In beiden Bereichen können wir sofort damit beginnen.

Daran arbeiten heißt, sich intensiv für eine politische und gesellschaftliche Transformation in eine enkeltaugliche Zukunft zu engagieren, dann werden sich die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen auch schnell in Richtung Klimafreundlichkeit ändern – das gilt für alle Handlungsfelder und Sektoren. Da wir allerdings zur grundlegenden Neuausrichtung nicht mehr viel Zeit haben, sollten wir nicht auf die Entscheidungen von „oben“ warten, sondern JETZT möglichst viele Mitmenschen dazu bringen, sich schon ab morgen massiv für ein baldiges klimataugliches Leben einzusetzen.
Langfristig macht das für unseren CO2-Fußabdruck nochmal 2-3 to Reduktion pro Jahr für jede/n von uns aus.

Franz:
Du sprachst das letzte Mal von „sinnvollen Kompensations-Maßnahmen“ für den verbleibenden Rest der persönlichen Treibhausgas-Emissionen und dass man darüber hinaus sogar „klimapositiv“ wirken könne.
Ich weiß, dass du „Kompensation“ sehr kritisch siehst und du bist damit nicht alleine. Manche sprechen bei „Kompensation“ von modernem Ablass-Handel und dem Wunsch der „westlichen Welt“, sich mit ihrem Geld von der Verantwortung „freikaufen und wie bisher weiterleben zu wollen“.
Wo siehst du diese Kritik an „Kompensation“ berechtigt bzw. welche Gefahren siehst du durch „nicht sinnvolle“ Kompensation und wie kann „Kompensation“ richtig eingesetzt durchaus positiv – oder wie du sagtest „sinnvoll“ – wirken?

Hermann:
Ich bring’s mal provokant auf eine ganz einfache Gleichung: Zur Aufrechterhaltung unseres egoistischen Lebensmodells vernichten wir weiterhin in großem Stil die Lebensgrundlagen der nächsten Generationen, überweisen dafür dann den lächerlichen Kompensationsbetrag von EUR 30 je t CO2 – sind somit „klimaneutral“ – und baden uns in satter Selbstzufriedenheit. Geht’s noch!?

Was ich damit sagen möchte: Einfache Ausgleichzahlungen mangels eigenen Willens und Einsehens bzw. mangels ambitionierter Ziele lösen mitnichten das Problem. Ich spüre jedoch seit einiger Zeit von allen Seiten, dass versucht wird, die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft und unseres Konsums mit Kompensationsmaßnahmen schön zu rechnen und das „Endprodukt“ scheinheilig als klimaneutral zu etikettieren. Die einzige ehrliche und richtige Zielsetzung ist für mich, ein je eigenes „klimafreundliches Leben“ herzustellen und die konventionelle Kompensation (d.h. Kompensation ohne nachhaltige Bildung von CO2-Senken lokal / regional in Höhe der THG-Emissionen in t) als einen „Zusatz“ zu benutzen.

Wir dürfen es uns auf Kosten der nächsten Generationen nicht so einfach machen. Vermeidbare THG-Emissionen kann man nicht kompensieren, indem man mit billigem Geld auf einem anderen Kontinent zweifelhafte Aufforstungen unterstützt, die im besten Fall wirklich durchgeführt werden. Falls aber die betreffenden Bäume nicht abgefackelt werden (wir haben in der großen räumlichen Entfernung bspw. keinerlei Eingriffsmöglichkeiten auf sich ändernde politische Rahmenbedingungen), wird doch erst über Jahrzehnte wieder die entsprechende CO2-Menge der Atmosphäre entzogen – in der Zwischenzeit ist die Bilanz dauerhaft negativ und führt zu weiterer Erderwärmung.

Vielen ist gar nicht bewusst, dass die üblichen Kompensationsbeträge [in EUR je t CO2] Schleuderpreisen gleichen und nicht die echten Umweltkosten widerspiegeln. Das Öko-Institut errechnet wegen der Umweltschäden für die t CO2 einen notwendigen Kompensationsbetrag von 600 EUR! Nach Adam Riese kostet dann der Billigflug nach Malle statt 100 EUR gerechterweise 700 EUR pro Nase. In Kenntnis der Zusammenhänge kann man doch mit dieser Art von „fauler Kompensation“ keinen Frieden finden.

Die Gefahr ist einfach, dass sich der Problemfokus verschiebt. Im Zweifel kann man die tatsächlichen Schäden, die durch das eigene Handeln oder Nichthandeln entstehen, ausblenden oder verdrängen, da man ja kompensiert. Nüchtern betrachtet ist es halt doch ein „Loskaufen“, dann hat die liebe Seele ihre Ruhe und alles geht wieder seinen geordneten Gang.

Damit uns unsere Mitmenschen und Nachkommen als echte Vorbilder erleben, dürfen wir keine Bilanzierungstricks unterstützen. Vielmehr müssen wir aus der Anonymität heraustreten und durch Mitarbeit und mit finanzieller Beteiligung bspw. zu „Baumpaten“, „Gemüsebeetpaten“, „Gewächshauspaten“ oder Anteilseigner beim Biobauern werden. Dadurch können wir nachhaltig sogar eine deutlich positive THG-Bilanz herstellen, ganz nebenbei dem Artenschutz dienen und einen großen Lustgewinn bei der Schaffung von Biodiversität und gesunder Lebensräume generieren.

Franz:
In meinen Klimafreundlich Leben – Kursen sind die Teilnehmer*innen immer wieder überrascht, welche große Klimawirkung ein konsequent nachhaltiges Geldverhalten hat … magst du uns dazu ein Beispiel sagen?

Hermann:
Stimmt, es macht einen sehr großen Unterschied wem und wofür man sein Geld zur Verfügung stellt. Das geht bei ganz alltäglichen Bankgeschäften schon los.
Wenn ich hierzu gefragt werde, empfehle ich sehr gerne die älteste Ethikbank, die Steyler Bank. Ganz unabhängig von dem guten Service und den blitzartigen Überweisungen beschäftigt sich diese Bank schon seit Jahrzehnten mit einer Geldanlagepolitik, die engagiert und beispielgebend ist und spekuliert grundsätzlich nicht in Raubtiermanier mit ihren Finanzmitteln und Einnahmenüberschüssen. Stattdessen wurden 100 Mio. EUR eingesetzt für Menschen, die in benachteiligten Erdregionen an den Rand gedrängt werden. Von den Kontoführungsgebühren geht u.a. 1 EUR / Monat in Hilfsprojekte für arme Länder und die dort tätigen Steyler-Missionare (weltweit viele tausend) die sich vor Ort um die Umsetzung von Schöpfungsbewahrungsprojekten kümmern. So wurde bspw. in Bolivien eine Modellfarm angelegt bei der bereits mit Einzeltranchen von 200 EUR jeweils ein 1 ha Wald angepflanzt wurde. Das ist gelebte Schöpfungsverantwortung, da damit die Umwelt und das Klima geschützt werden; außerdem wird den Menschen eine langfristige Existenz gegeben, die ihnen das Bleiben in ihrem Land ermöglicht. Ums nochmal klar zu sagen: Entweder wird auf möglichst hohe Rendite geschielt oder die Gemeinwohlorientierung steht im Vordergrund. Da gibt es für mich auch keinen Interpretationsspielraum und die Steyler Bank ist das beste Beispiel dafür, wie es sein soll.

Klimapositiver Geldeinsatz ist aber nicht nur in fernen Ländern möglich und notwendig, sondern gerade auch direkt bei uns vor der Haustür!
Mit vergleichsweise kleinen Beträgen kann jede/r relativ rasch große CO2-Senken erzeugen und hat damit einen wirkungsvollen Hebel, um selbst die individuelle Klimabilanz nachhaltig ins Positive umzudrehen. Die einfachsten Möglichkeiten sind aus meiner Sicht:

  • Erwerben von Genossenschaftsanteilen zur Errichtung von Bürgerenergie Photovoltaik-Anlagen oder Windkraftanlagen;
  • Investition in Humusaufbau in der Landwirtschaft. So schreibt der Deutsche Bauernverband 2019 in seiner Publikation „Klimastrategie 2.0“:
    Auf Ackerstandorten mit mäßiger Humusversorgung besteht ein Potential, durch Fruchtfolgegestaltung und Bewirtschaftungsmethoden, allen voran der Bodenbearbeitung, Rückführung von Ernteresten und Zwischenfrüchten sowie Wirtschaftsdünger, zur Humuserhaltung und zum Humusaufbau des Bodens beizutragen.“
    Wichtig zu wissen, das haben wir auch dringend nötig: Nimmt doch in den westlichen Ländern wegen der (u.a. vom Bauernverband prädestinierten) industriellen Landwirtschaft seit Jahren der Humusanteil der Ackerböden kontinuierlich ab. Durch Spenden, Beteiligungsmodelle, wie z.B. eine SoLaWi ist es möglich, auf landwirtschaftlichen Flächen den Prozess der Vernichtung von Humus wieder umzukehren. Besonders schön daran ist, dass man die Investition und den Erfolg vor Ort anschauen kann. Außer der CO2-Senkenbildung sind damit auch gewaltige strukturelle Verbesserungen für die Region verbunden, wie Erosionsschutz, Erhöhung der Wasserhaltefähigkeit, erhöhte Bodenfruchtbarkeit und größere Biodiversität bei den Bodenlebewesen. Bei geeigneter Bewirtschaftung können in wenigen Jahren durch den Humusaufbau mehrere Dutzende t CO2 je ha der Atmosphäre entzogen werden. Wegen Klima-, Arten- und Ressourcenschutz ist es zwingend, die Landwirtschaft wieder auf natürlich, das bedeutet naturnah und regenerativ, umzustellen. Der Welternährungsrat hat ausgerechnet, dass ein Humusaufbau von 0.04% die gesamten jährlichen CO2-Emissionen ausgleichen könnte – muss man eigentlich noch mehr sagen?
  • Über Plattformen wie positerra (für Unternehmen und Institutionen) oder die greensurance-Stiftung werden Beteiligungsmöglichkeiten, z.B. zur Moorvernässung angeboten. Reale Wiederaufforstung, Moorvernässung und Humusaufbau sind eine sehr wirkungsvolle Ausgleichsmaßnahme, auch wenn dies nicht dem „Freikaufen“-Verständnis entspricht. Es handelt sich hierbei um „echte Kompensation“ und nicht um Rechen- und Bilanzierungstricks. Mit solchen Maßnahmen wird nämlich tatsächlich emittiertes CO2 wieder aus der Atmosphäre geholt und als Kohlenstoff eingelagert. Falls die betreffenden Bereiche weiter so genutzt werden, ist dies nachhaltig und dauerhaft der Fall.

Was ich allerdings nicht verstehe:
Brauchen wir denn immer einen Fond oder ein drittes Unternehmen, das für uns – oftmals in großer räumlicher Distanz – etwas „anpflanzt“!?
Selbst wenn man in einer Wohnung ohne Garten lebt, muss doch noch so viel Handlungsvermögen da sein, dass ich zu einem Waldbauer gehe und ihm – der ja sowieso seinen Wald auf nachhaltig und naturnah umbauen muss – das Geld gebe, dass er 10 oder 20 Eichen statt der umgefallenen Fichten anpflanzt.
Außer den 30 t CO2, die diese Bäume in den nächsten Jahren aus der Luft holen, kann ich mich in meiner Freizeit hin und wieder zum Picknick unter „meine Eichen“ legen und ihnen beim Wachsen zusehen (was ich bspw. bei Aufforstungsprojekten in Übersee nicht kann).
Oder ich suche mir einen Wiesenbesitzer und überrede ihn, daraus eine Streuobstwiese zu machen. Für die mitfinanzierten Obstbäume gibt’s dann auch mal Naturalzins. Ich glaube, da fallen mir noch viele Möglichkeiten ein, die außer „Kompensation“ auch das Leben an sich sehr bereichern.

Franz:
Magst du uns zum Abschluss noch Beispiele für „sinnvolle“ Kompensationsmaßnahmen geben, die du empfehlen kannst bzw. warum?

Hermann:
Ich bin der Meinung ein einfaches „Freikaufen“ ist zu wenig!
Zumal der derzeit festgelegte „Äquivalenzbetrag“ je t CO2 um mehrere Größenordnungen zu niedrig ist. Statt 30 EUR je t CO2, muss man mindestens 600 EUR je t CO2 ansetzen. Das entspricht halt eher den tatsächlichen Umwelt- und Langzeitschäden. Und mit der Summe kann man wirklich etwas für eine klimafreundliche Kompensation tun.
Einen einfachen Einstieg in das Thema Kompensation findet man bei der Klimakollekte (www.klimakollekte.de), ein sehr hochwertiger Kompensationsfond den die deutschen Kirchen eingerichtet haben. Da kann man in konventioneller Hinsicht nichts falschmachen. Mit den Kompensationsgeldern werden Umweltschutzprojekte auf der Südhalbkugel unterstützt, die klimawirksam sind.
Die Beschäftigung mit den Funktionen auf der Website ist sehr lehrreich, wird doch auch für Veranstaltungen usw. der Fußabdruck berechnet. Es macht absolut Sinn, sich vor Reisen und Veranstaltungen den dadurch entstehenden CO2-Fußabdruck auf der Website der Klimakollekte auszurechnen und gleich zu kompensieren.

Ich möchte aber an dieser Stelle mit meiner Meinung nicht hinterm Berg bleiben: Ich halte sehr viel von der Kompensationsmöglichkeit mit der Klimakollekte – aber nur als „Zusatz“ und eben nicht als alleinige oder im Vordergrund stehende Maßnahme. Das bedeutet konkret, das Beispiel mit dem Flug nach Malle von vorhin wieder aufgreifend, dass ich die Bilanz (weit) vor Entstehen der THG-Emissionen schon ins Positive ausgleichen muss. Ich muss also heuer bspw. in der Region eine Reihe Bäume pflanzen, die in einem Jahr so viel Kohlenstoff einlagern, dass der Atmosphäre 1 t CO2 entzogen wird – dann kann ich nächstes Jahr nach Mallorca fliegen. Also: ohne Schaffung / Ausweitung von nachhaltigen CO2-Senken lokal / regional in Höhe der THG-Emissionen in t kann ggfs. jede Kompensation zur Makulatur werden. Zusätzlich wäre dann die Kompensationszahlung der 30 EUR über die Klimakollekte schon hilfreich, damit wenigstens ein bisschen die Klimaschutzmaßnahmen in den Entwicklungsländern unterstützt werden.

Empfehlung für Fans einer enkeltauglichen Landwirtschaft: Einen Landwirt überzeugen, dass ein Acker aus der humusvernichtenden herkömmlichen Nutzung genommen wird, also künftig keine chemisch-synthetischen Stoffe, Fluten mit Gülle und Stickstoff etc. bringt pro Hektar und Jahr schon mal eine CO2-Reduktion von 1t.

Zwei Empfehlungen habe ich noch, die zeigen welche enormen echten THG-Kompensationsleistungen und CO2-Senkenbildungen mit geringem Aufwand erzielt werden können.

Beispiel 1: Wird beim Boden bspw. durch Teilentsiegelung der Dauerhumusanteil nur um rd. 1% aufgebaut, bedeutet dies eine CO2-Bindung von mind. 30t je ha (Vgl. Thünen-Report Nov.2018).

Beispiel 2: Jeder Kubikmeter Holz, der zuwächst, entzieht der Luft eine Tonne CO2. Mit zunehmendem Alter stellen gepflanzte Bäume eine rasch anwachsende Kohlenstoff-Senke dar. Wenn also auf dem Gemeinde-, Dorf- oder Stadtplatz sechs klimaresiliente Eichenarten (z.B. Stiel- oder Flaumeichen) gepflanzt werden, und an anderen geeigneten Stellen 994 Stück klimaresiliente Laubbaumarten (siehe hierzu bspw. www.lwg.bayern.de/landespflege/urbanes_gruen ) der Eichenwaldgesellschaften zukünftig wachsen dürfen, binden diese in den nächsten Jahrzehnten 5.000 t CO2 (gerechnet sind hier im Mittel 100kg/Baum/Jahr; Rötzer et al. 2020) (siehe hierzu auch Veröffentlichungen Lehrstuhl für Wachstumskunde TU München / Freising). Und dies ist ganz nebenbei verbunden mit einer allgemeinen Steigerung der Lebensqualität vor Ort sowie einer ganzen Reihe von Ökosystemdienstleistungen, wie Feinstaubfilterung, Schattenbildung, Lärmminderung, Wasserrückhaltevermögen, Lebensraum für Fauna und Flora usw. Das Laub kann zu lokalem Humus verarbeitet werden, was zu einer weiteren CO2-Speicherung führt.

Analog errechnen sich ebenso die CO2-Reduktionen durch zusätzliche Gebäudebegrünungen an Fassade / Dach bzw. in den Außenanlagen bei allen Freiraumtypen – damit wird die Dimension des CO2-Reduktionspotentials, das wir alle realisieren können, klar.

Zusammengefasst:
Ich finde es sehr, sehr wichtig, dass wir über Kompensationszahlungen Klimaschutzprojekte in ärmeren Ländern fördern; denn nur wenn wir weltweit am Klimaschutz arbeiten, werden wir die Klimaziele für den ganzen Planeten erreichen. Als alleineige Maßnahme für den eigenen Fußabdruck ist es keine Ausgleichsmaßnahme, die angemessen und ehrlich ist; genauer betrachtet ist es wieder nur ein sich in die eigene Tasche lügen. Man überweist Geld und dann kann man seine „Klimasünden“ vergessen, aufatmen und sich zurücklehnen. Wie jedoch vorhin verdeutlicht, müssen wir alle viel mehr Energie und Ressourcen in echte Kompensationsmaßnahmen in unserem Umfeld stecken, das Potential zur CO2-Senken-Bildung ist riesig und so können wir auch für unsere Lebensbilanz wieder ein Gleichgewicht herstellen.

Franz:
Herzlichen Dank für die Interviews mit dir in den letzten Monaten – hat Spaß gemacht und wir haben viel gelernt!
Was möchtest du unseren Lesern am Schluss noch mitteilen?

Hermann:
Lieber Franz, danke dir für die brillante Interview-Idee, auch wenn mir deine Fragen manchmal schon zu schaffen gemacht haben. Danke für dein gutes Engagement und besonders freut mich natürlich, dass die Serie in forum Nachhaltig Wirtschaften 9.000 Lesern präsentiert wurde.
Wenn jemand Interesse an der weiteren Verbreitung des Interviews hat  (z.B. Abdruck in regionalen Zeitungen, Gemeindebriefen usw.) … bitte auf mich per Email zugehen.
Mir läge noch am Herzen, dass die Leser*innen nach der Interviewlektüre nicht wieder einfach zur Tagesordnung übergehen. Sondern jetzt – in diesem Augenblick – aufstehen, die Familie versammeln oder eine Nachricht an Bekannte, Freunde, Verwandte schreiben mit der Botschaft:
Wir/ich mache(n) jetzt Ernst. Ich plane zukünftig 20% meiner Zeit dafür ein, in einem Gemeinschaftsgarten mit zu arbeiten, Bekannte von der schönen enkeltauglichen Zukunft zu überzeugen, am Montag einen Sitzstreik vor dem Rathaus zu machen („Mondays4future“), Freund*innen zu einem KFL-Kurs zu bewegen, Naturkleider zu nähen, mit Kindern Fassaden zu begrünen, Christ*innen zu bewegen bei mir (Hermann Hofstetter) christians4future-Fahnen zu bestellen um am 24.09. beim Klimastreik dabei zu sein (kann man auch vom Balkon hängen lassen).“

Ich habe noch ein wichtiges Angebot:
Für diejenigen, die sechs Gleichgesinnte zusammenbringen, kann ein neuer Kurs „Klimafreundlich Leben“ starten – bitte ebenfalls bei mir melden.

Mir geht es darum, dass wir uns zusammentun und die Welt ins Positive verändern. Ich glaube, wenn wir Verantwortung übernehmen, nicht warten auf die göttliche Eingebung, sondern die Dinge JETZT in die Hand nehmen, wird es ein gutes Leben in der Zukunft geben, für alle – mit Versorgungssicherheit und Sinn für das Wesentliche.

Und: Gibt es etwas Erfüllenderes und Größeres als auf einen guten, nachahmenswerten und die Lebensgrundlagen für unsere Enkel sichernden Weg zurückzublicken; ich glaube, nein!

Franz:
Wir wünschen dir für deine wertvolle und wichtige Aufgabe weiterhin viel Erfolg!